Stapeln ohne Staplerschein – ein Traum oder Angsttraum

Stapeln ohne Staplerschein – ein Traum oder Angsttraum

Die Mitteilung einer namhaften Herstellerfirma von Hubstaplern hat Potenzial für breitere Diskussionen. Die Firma hat eine Serie an Hochhubwagen mit Gegengewicht überarbeitet. Die Geräte sollen jetzt eine führerscheinfreie Alternative zu den staplerscheinpflichtigen Gegengewichtsstapler bilden“.

 

Kinderspiel oder erhöhtes Risiko?

Nach Aussagen der Firma wird das Aufnehmen von Paletten und anderen Ladungsträgern mit dem Hochhubwagen zum Kinderspiel. Das Ganze soll bei einer Tragkraft von bis zu 2.000 Kilogramm und einer Hubhöhe bis zu 5,46 Meter die Arbeitsabläufe – Heben und Senken – spürbar vereinfachen. Der neue Hochhubwagen soll nach Aussagen des Herstellers den Warenfluss optimieren und so flexibel sein wie das berühmte „Schweizer Messer“.

 

Ein Gerät der Superlative

  • Der neue Hochhubwagen soll ermüdungsfrei arbeiten, freie Sicht gewähren und mit nur einer Hand zu führen sein.
  • Eine optionale Tragfähigkeitsanzeige zeigt dem Fahrer nicht nur die aktuelle Hubhöhe an, sie zeigt auch die dazugehöriger Resttragfähigkeit.
  • Kurvensicheres Fahren: die ‚Curve Speed Control‘ passt die Kurven-Geschwindigkeit automatisch an den Lenkwinkel an.
  • Der Hochhubwagen lässt sich bestens online verwalten. Er eignet sich bei guter Kontrollmöglichkeit für mehrere Fahrer.
  • Die Hubhöhe beträgt bis zu 5.466 mm – Tragkraft bis zu 2.000 kg, zum Einsatz kommt ein kraftvoller, zuverlässiger Drehstrom-Motor.
  • Der Hubwagen ist für alle herkömmlichen Paletten-Arten und alle Ladungsträger einsatzfähig.

 

Jetzt könnte es kritisch werden

Allgemein betrachtet, würde zum Führen eines Gabelstaplers eine entsprechende Ausbildung in Theorie und Praxis benötigt.  Mitgänger-Stapler dürfen bei einer Geschwindigkeit bis 6 km/h, einer Hubhöhe von knapp 5,50 m und einer Tragkraft von 2.000 kg in vielen Ländern schon nach „kurzer betriebsspezifischer Unterweisung“ auch ohne Staplerschein bedient werden.

Risiko bleibt Risiko

Das stellt die Frage in den Raum: Darf man das Rest-Risiko, dass eigentlich immer noch weiter besteht, wirklich ohne Wenn und Aber vernachlässigen – einfach ignorieren? Die Antwort darauf sollte ein NEIN sein. 2.000 Kilogramm in etwa 5,50 Meter über Grund bilden immer einen Risiko-Faktor – mit oder ohne Staplerschein.

Allerdings darf man da von ausgehen, dass „mit“ dem Staplerführer das Risiko – dank der Ausbildung in Theorie und Praxis – immer bewusst sein wird und entsprechend handelt. Es darf nicht sein, dass Führern von Staplern eine Verantwortung aufgebürdet wird, die sie nach einer „kurzen betriebsspezifischen Unterweisung“ nicht überblicken, nicht abschätzen können. Es sollte nicht möglich sein, dass jeder ein fahrbares Arbeitsmittel führen darf, von dem selbst der Gesetzgeber sagt:

Zu bestimmten Arbeiten, die mit einer besonderen Gefahr für die damit Beschäftigten oder für andere ArbeitnehmerInnen verbunden sind, dürfen nur ArbeitnehmerInnen herangezogen werden, die über einen Nachweis der erforderlichen Fachkenntnisse verfügen“.

 

Zu diesen Tätigkeiten zählen:

 

  • das Führen folgender Krane:
  • flurgesteuerte Krane mit einer Tragfähigkeit von mehr als 50 kN,
  • Lauf- Bock- und Portalkrane, Säulendreh- und Wandschwenkkrane
  • Dreh- und Auslegerkrane
  • Fahrzeug- und Ladekrane mit einer Tragfähigkeit von mehr als 50 kN bzw. einem Lastmoment von mehr als 100 kNm,
  • Sonderkrane (Kabel-, Rohrleger-, Schwimm-, Gieß-, Stripper-, Blockwende-, Chargier-, Hütten-, Hafenmobil- und Schienenkrane)
  • das Führen von Hubstaplern, ausgenommen Hubstapler, die ihre Last ausschließlich innerhalb der Radbasis aufnehmen und befördern bzw. deichselgeführte Stapler,
  • Arbeiten im Rahmen des Einsatzes von Gasrettungsdiensten,
  • die selbständige Durchführung von Sprengarbeiten,
  • Taucharbeiten (allgemeine Taucharbeiten, Forschungstaucharbeiten, Tätigkeit als Signalperson)
  • Vorbereitung und Organisation von Arbeiten unter Hochspannung (Arbeiten an elektrischen Starkstromanlagen unter Wechselspannungen über 1 kV oder Gleichspannungen über 1,5 kV),
  • bühnentechnische Vorbereitungs- und Organisationsarbeiten,
  • beleuchtungstechnische Vorbereitungs- und Organisationsarbeiten
  • Arbeiten als Sicherungsposten, als Sicherungsaufsicht, oder als Betriebsleiter im Eisenbahnbereich.

 

 

Für die oben genannten Tätigkeiten ist die Art und der Umfang der Ausbildung in den ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen detailliert vorgeben. Diese Ausbildungen dürfen nur durch entsprechende Ausbildungseinrichtungen vermittelt werden.

 

Nachweis der Fachkenntnisse

  • 63. (1) Der Nachweis der Fachkenntnisse gemäß § 62 ist durch ein Zeugnis einer hierfür in Betracht kommenden Unterrichtsanstalt oder durch ein Zeugnis einer anderen Einrichtung zu erbringen, die hierzu vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ermächtigt wurde.

 

Fachkenntnisausbildungsgebiete

  • 6. Die Ausbildung muss je nach Ausbildungsgebiet mindestens die nachfolgend angeführte Gesamtzahl an Unterrichtseinheiten (einschließlich praktischer Übungen) umfassen:

 

Ausbildungsgebiet gemäß § 6 Z 2

FÜHREN VON HUBSTAPLERN

Ausbildungsinhalte Unterrichtseinheiten
1. Grundbegriffe der Mechanik und Elektrotechnik 4
2. Aufbau und Arbeitsweise von Hubstaplern, mechanische und elektrische Ausrüstung von Hubstaplern 4
3. Sicherheitseinrichtungen von Hubstaplern 2
4. Betrieb und Wartung von Hubstaplern 3,5
5. Arbeitnehmerschutzvorschriften, sonstige Rechtsvorschriften, Normen und Richtlinien zum sicheren Führen von Hubstaplern 4
Mindestanzahl Unterrichtseinheiten (UE Theorie) 17,5
Frei gestaltbare UE 2
Praktische Übungen 1
GESAMTZAHL UE 20,5

 

Wir vertreten die Ansicht, dass sich das Ausbildungssystem inklusive der aufwendigen Vorschriften bisher bestens bewährt hat. Es war und ist vor allem Basis für Sicherheit beim Betrieb von Hubstaplern. Ein Grund, an diesem System herumzuexperimentieren und den Faktor Sicherheit zu vernachlässigen, besteht nicht.