Kippen des Staplers nach vorn oder gefährlicher seitwärts
Zur Erhöhung der Sicherheit mit Hubstaplern werden alle Vorgänge, die zum seitlichen Kippen von Hubstaplern – bedingt durch die Zentrifugalkraft – führen, genauestens analysiert. Unterschiedlichste Gegengewichtstapler werden und wurden zu umfangreichen Testserien herangezogen. Basierend auf diesen Ergebnissen, werden vorhandenen Modelle und Berechnungen weiter verfeinert, nur um das gegebene Kippverhalten von Hubstaplern noch gezielter schriftlich festhalten zu können.
Kippunfälle im Detail
Nach ihren Auslösemechanismen unterscheidet man die Kippunfälle nach folgenden Kriterien:
- zentrifugalkraftbedingt – hierbei kippt der Hubstapler durch zu schnelle Kurvenfahrt (auch ohne Last und bei abgesenkter Gabel (dynamisches Kippen).
- lastbedingt – hierbei kippt der Gabelstapler infolge des hohen Gesamtschwerpunktes bei angehobener Gabel mit oder ohne Last.
- fahrbahnbedingt – Der Stapler kippt bei Geradeaus- oder auch bei Kurvenfahrt, wenn er einseitig in eine Bodensenke, auf eine Bodenerhebung fährt oder es passiert, dass die Räder in unbefestigtem Untergrund versinken.
- absturzbedingt – Rampen- oder Schachtunfall infolge von Überfahren einer Rampen- oder Schachtkante stürzt der Gabelstapler ab.
- kollisionsbedingt – hier kippt der Hubstapler infolge des Zusammenstoßes mit einem anderen Flurförderzeug oder anderem Gegenstand um.
Kipptest und Tendenzen
Die bisher durchgeführten und entsprechend beschriebenen dynamischen Kippteste wurden mit drei verschiedenen elektromotorischen Gegengewichtstaplern (zwei Vierradstapler mit Pendelachse und ein Dreiradstapler) durchgeführt.
Wesentliche Ergebnisse dieser Versuchsreihe sind:
- Die Vierradstapler weisen eine hohe dynamische Kippsicherheit auf. Es bedarf größeren Anstrengungen des Fahrers, ein Kippen des Staplers herbeizuführen.
- Der Lenk-Verreiß-Test ist wesentlich bei der Beurteilung des dynamischen Kippverhaltens. Der Lenk-Verreiß-Test wurde stark überzogen. So wurde nicht nur in die Kurve hineingelenkt, sondern zu einem fixierten Zeitpunkt noch gegengelenkt. Die Reibungsverlust Boden/Rädern beeinflusst das dynamische Kippverhalten.
- Eine wichtige Erkenntnis ist, dass der Lenk-Verreiß-Test das entscheidende Fahrmanöver ist, bei dem die Gabelstapler dazu neigt, seitlich zu kippen.
- Nicht ohne Einfluss ist die Lenkwinkelgeschwindigkeit, mit der in die Kurve hineingesteuert wird. Sie entscheidet, ob der Gabelstapler schleudert, kippt oder stabil durch die Kurve fährt.
- Vor allem bei Vierradstaplern konnte ein Kippen des Gesamtfahrzeugs nur durch ein Gegenlenken nach dem anfänglichen Hineinlenken in die Kurve erreicht werden.
Der Fahrer fährt hierbei den Hubstapler mit der maximal möglichen Lenkgeschwindigkeit, die nahezu konstant ist in die Kurve ein. Nach Erreichen eines vorbestimmten Zeitpunktes wird abrupt die Lenkrichtung geändert. Bereits wenige Zehntelsekunden nach dem Beginn des Gegenlenkens kippt der Stapler.
Sicherheit und ihre Grenzen
Die Erhöhung der Kipp-Sicherheit von Hubstaplern ist nach wie vor die große technische Herausforderung an die Hersteller. Die Verbesserungen der seitlichen Kippsicherheit ist nur noch in einem sehr begrenzten Rahmen möglich, ohne die wichtige Merkmale und Funktionalitäten erheblich zu verschlechtern. Ein neuer Ansatz zur Lösung der Sicherheitsprobleme dürfte in der Entwicklung und Einführung elektronischer fahrdynamischer Sicherheitssysteme zu liegen, ähnlich dem „ESP“ (Elektronisches Stabilitäts-Programm) für den Automobilbereich. Mit dem „ESP“ wird ein elektronisch gesteuertes Fahrassistenzsystem für Kraftfahrzeuge bezeichnet, das durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder dem Ausbrechen des Wagens entgegenwirkt. ESC ist in der heutigen Ausführung eine Erweiterung und Verknüpfung des Antiblockiersystems (ABS) mit einer Antriebsschlupfregelung (ASR) und einer Elektronischen Bremskraftverteilung sowie mit einem Bremsassistenten. Vielleicht auch ein Denkmodell für den Hubstapler mit seiner Kipp-Problematik.
Zielorientierte und rechnergestützte Entwicklungen derartiger Systeme setzen umfangreiche Vorarbeiten sowohl in Theorie als auch in der Praxis voraus. Bestehenden Beschreibungen über Fahrdynamik und über das Kippverhalten einzelner Modelle müssen verfeinert werden. Das Problem der Rad- und Reifenmodelle muss neu durchdacht werden, denn hier warten größere Probleme auf eine realistische Lösung.
Quelle: Prof. Dr.-Ing. Rainer Bruns, Leiter des Laboratoriums für Maschinenelemente und Förderwesen der Universität der Bundeswehr Hamburg